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Knotenqualität

Qualität im Nahverkehr

Millionen Menschen nutzen, lieben und leiden jeden Tag in den öffentlichen Nahverkehrsnetzen. Wahrscheinlich, sieht man einmal vom Wetter ab, gibt es kaum ein ähnlich breit über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg diskutiertes Thema wie die Angebotsqualität von Bus und Bahnen. Doch was macht eigentlich die Qualität eines ÖPNV-Netzes aus, nimmt man einmal das offensichtliche Dauerthema der Pünktlichkeit aus der Gleichung heraus? Im Rahmen des 3. ITS-Hackathons hat sich ein Team aus Analysten der ÖPNV-Beratung civity dem Thema "Netzqualität" genähert.

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Die Qualität von ÖPNV-Netzen wird heute oft durch Metriken wie die Haltestellenabfahrten pro Einwohner und die Taktdichte (Angebotsqualität) oder durch die Abdeckung der Siedlungsfläche und Einwohner beschrieben. Diese Metriken können durch Graph-basierte Auswertungen deutlich ergänzt werden: ÖPNV-Netze bestehen in ihrem Kern aus Haltestellen sowie den diese verbindenden Linienrouten. Diese können als Knoten und Kanten in einem Netzwerk dargestellt und mit Hilfe spezialisierter Software ausgewertet werden. Die resultierenden Metriken ergeben einen ungewohnten Blick auf die eigentlich bekannten Streckennetze.

Graph-Metriken

Grad (Degree Centrality)

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Der Grad eines Knotens wird einfach als die Anzahl seiner Verbindungskanten definiert. Ein Knoten mit 5 Kanten, die ihn mit anderen Knoten im Netzwerk verbinden, hat einen Grad von 5. Um die Gradzentralität zu bestimmen, wird der Grad eines Knotens durch die Anzahl der anderen Knoten im Netzwerk geteilt (n-1).


Nähe (Closeness Centrality)

Die Nähe eines Knotens berechnet sich als die Länge des kürzesten Weges zwischen einem Knoten und allen anderen Knoten im Netzwerk. Die Zentralität der Nähe eines Knotens ist der Durchschnittswert aller dieser kürzesten Wege im gesamten Netzwerk. Eine Adjazenzmatrix ermöglicht es, die Konnektivität eines Knotens in Matrixform auszudrücken. Bei nicht gerichteten Netzwerken ist die Matrix also symmetrisch.

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Betweenness-Zentralität (Betweenness Centrality)

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Die Betweenness-Zentralität beruht auf der Idee, die Anzahl der Fälle eines Netzwerkes zu zählen, in denen ein Knoten als Brücke dient. Ein Brückenknoten im Sinne dieser Metrik ist eine Haltestelle, die zwei verschiedene Subnetze verbindet. Es handelt sich demnach um eine Schlüsselstelle innerhalb des Gesamtnetzes.


Eigenvektor-Zentralität (Eigenvector Centrality)

Die Eigenvektor-Zentralität verwendet die zuvor genannte Adjazenzmatrix, um deren größte und eindeutigste Eigenwerte zu berechnen. Der resultierende Eigenvektor wird als Metrik verwendet. Die Grundidee hinter dieser Metrik basiert auf den Nachbarn eines Knotens und wie er mit anderen Knoten verbunden ist. Um eine höhere Bewertung zu erhalten, müssen sowohl der Knoten selbst als auch seine Nachbarn gut verbunden sein (hohe Zentralität).

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Praxisbeispiel Hamburg

Anwendung der Metriken auf Hamburgs Nahverkehrssystem

Am Beispiel des Hamburger Nahverkehrsnetzes wurden nun die oben beschriebenen Analysen durchgeführt. Sie lassen ungewohnte Sichtweisen auf die eigentlich jedem Kind bekannten Netzpläne zu, zeigen Netzlücken und Schwachpunkte auf und ermöglichen darüber hinaus Vergleiche zwischen Städten.

Die folgende Galerie zeigt das ÖPNV-Streckennetz Hamburgs zunächst in seiner geographischen Realität, dann in einem ausgeglichenen Netzwerklayout und schließlich mit der berechneten Betweenness-Zentralität.

Use-Cases

Die graphenbasierte Analyse von Netzwerken kann im Bereich des ÖPNV zahlreiche Anwendungen finden, welche zur Verbesserung der ÖPNV-Netze beitragen. Bisher gibt es erst wenige Beispiele im Ausland, bei denen entsprechende Metriken verwendet wurden.

Benchmarking von ÖPNV-Netzen

Städte und Verbünde können in einem objektiven Benchmark ihrer ÖPNV-Netze verglichen werden.

Impact Analyse von Neubauvorhaben

Konkrete Planungen können im Gesamtnetz getestet und die Verbesserung quantitativ messbar gemacht werden.

Resilienzanalyse

Die Robustheit eines ÖPNV-Netzes kann mit verschiedenen Szenarien auf die Probe gestellt und kritische Schwachstellen identifiziert werden.

Teil-Automatische Netzoptimierung

Die ÖPNV-Netze können mit automatisierten Verfahren optimiert und neue Verbindungen vorgeschlagen werden.


Sie sind am Zug

Optimieren Sie das Hamburger Nahverkehrssystem!

Deutschland ist ein Land mit ca. 80 Millionen Fußball-Nationaltrainern - jeder hat eine Meinung und ist Experte auf diesem Gebiet. Die Erstellung von Netzplänen ist ebenfalls etwas für Experten und vielleicht haben ja auch Sie einmal Lust, das Hamburger U- und S-Bahnnetz ein wenig zu optimieren. In unserem interaktiven Netzplan können Sie Stationen und Linien hinzufügen oder unbeliebte Netzelemente löschen. Viel Spaß damit!

Sie können Knoten oder Kanten auswählen und mit einem Druck auf die "Entf"-Taste löschen. Sie können Kanten zwischen Knoten legen, indem Sie ausgehend von einem Knoten mit der gedrückten linken Maustaste eine Linie auf einen anderen Knoten ziehen.